Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muss. Religion, durch ihre Heiligkeit und Gesetzgebung durch ihre Majestät, wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdann erregen sie gerechten Verdacht wider sich und können auf unverstellte Achtung nicht Einspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewillt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat halten müssen." (Hermes, S. 12). Diese Worte Kants fallen in eine Zeit in der die evangelisch-lutherische Kirche und der absolutistische Staat durch das Landeskirchentum ein enges Bündnis geschlossen hatten und so nur schwer angreifbar waren. Das musste auch Gotthold Ephraim Lessing feststellen. Er wurde am 22.1. 1729 im Kamenz geboren und wuchs in der christlichen Tradition des väterlichen evangelisch- lutherischen Pfarrhauses und der Fürstenschule St. Afra in Meißen auf. Obwohl er das vom Vater gewünschte Theologiestudium schon nach einem Jahr abbrach, durchziehen theologische Fragen doch große Teile seines Werkes, was besonders im letzen Jahrzehnt seines Lebens sichtbar wurde: Er führte nicht nur erbitterte theologische Diskussionen, er veröffentlichte auch Nathan den Weisen", Die Freimaurer" und die Erziehung des Menschengeschlechts". Auf eben erwähnte theologische Diskussion, auch Fragmentenstreit gennant, bei der Lessing die Macht der anfangs genannten theologisch-staatlichen Allianz zu spüren bekommt, und auf den darauffolgenden Nathan" möchte ich in dieser Arbeit eingehen. Da mein Augenmerk dabei speziell auf dem Thema Entstehungsgeschichte des Nathan" liegt, werde ich allgemein beleuchten, was Lessing zum Nathan inspiriert hat, und das war eben nicht nur der Fragmentenstreit, sondern auch andere literarische, historische und biographische Quellen.
Nathan als 12 Anti-Goetze
1767- 69 arbeitet Lessing am hamburgischen Nationaltheater als Dramaturg. Zu dieser Zeit ist Johann Albert Hinrich nicht nur sein Arzt, er darf auch seine Bibliothek